"Die Suppe"
Acyun kam zu seinem Meister und fragte: „Meister, wie kann ich Gewissheit erlangen, ein Gottgefälliges Leben zu führen?“
Der Meister schmunzelte und antwortete: „Im Moment deines Todes wirst du es wissen!“
„Wie soll ich mir das vorstellen? Dann nutzt mir mein Wissen doch nicht mehr“.
„Nun,“ antwortete der Meister, „dann sei bis dahin achtsam und finde Gefallen an deinen täglichen Aufgaben. Kümmere dich um unser Essen und bereite eine Suppe, wie ich es dich lehrte.“
Acyun tat, wie der Lehrer ihn angewiesen hatte, holte Holz und entfachte ein Feuer, schritt zur Quelle und schöpfte frisches Wasser, ging in den Garten, erntete Gemüse und wollte seinem Meister eine besondere Freude machen und sammelte die verschiedensten Kräuter.
Er putzte das Gemüse und schnitt es, wie der Meister es ihm beigebracht hatte. Er gab alle Zutaten in den Topf, stellte ihn auf das Feuer, verschloß ihn mit einem Deckel und wartete zufrieden darauf, sein Werk genießen zu können.
Gegen Abend kam der Meister in die Küche. Er hob für einen Moment den Deckel vom Topf und sah das Tagwerk seines Schülers; das frisch geschöpfte Wasser, die geputzten und ordentlich geschnittenen Gemüse und die gesammelten Kräuter, unter denen sich auch einige Zweige der giftigen Eibe* befanden.
Er lachte, schloß den Deckel und sprach: „Gott hat uns einen Fastenabend geschenkt. Gehe zu Bett und ruhe dich aus. Morgen werden wir den ganzen Tag im Kräutergarten verbringen.“
Acyun schaute den Meister mit großen Augen fragend an. Der entgegnete ihm: „Heute ist nicht der Tag um Gewißheit zu erlangen, und morgen wirst du es wissen.“
* die Eibe ähnelt dem Rosmarin und ist giftig. Acyun wollte seinem Meister eine besonders schmackhafte Suppe zubereiten und hätte ihn und sich aus Egoismus fast getötet. Er hatte kein ausreichendes Wissen… und es war noch nicht der Zeitpunkt seines Todes.